Der Gedanke war gewagt, einmalig und wurde noch nie in die Tat umgesetzt. «Lasst uns länderübergreifend für die WM im September trainieren, und zwar in Form eines mehrtägigen Events» – so lautete der Input. Verbunden mit einer Einladung, die Pascal Lehmann, Coach der Schweizer WM-Teilnehmerin Lara Kaufmann, gerne annahm. Genauso wie die Vertreter der Länder Spanien, Finnland, Deutschland und Dänemark.
Und so kam es, dass die beiden Schweizer kürzlich an einem Dienstag das Flugzeug nach Amsterdam (NL) bestiegen. Von dort ging es weiter nach Silkeborg, ins Trainingszentrum «College 360», Dänemarks einzige berufsbildende Schule für Theorie und Praxis im Autolackiergewerbe. Ein riesiges rollstuhlgängiges Zentrum übrigens, das den Lackierern tolle Bedingungen mit unter anderem zehn Kabinen bietet.
Organisiert und durchgeführt wurde der Fünfländer-Event vom örtlichen Kursleiter von «College 360», der gleichzeitig Experte bei den «World Skills» ist. Unterstützung gab es überdies von zwei Vertretern von BASF Dänemark, die den WM-Kandidaten während des ganzen strengen Programms mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. Klar, dass wie an der WM mit der «Reihe 100» von Glasurit gearbeitet wurde.
Etwas aus der Deckung kommen
Wie verlockend aber ist nun die Idee einer internationalen Trainingseinheit tatsächlich? Birgt sie nicht auch noch für jeden WM-Teilnehmer eine kleine Gefahr? «Das kann man schon so sagen», ist Pascal Lehmann überzeugt. Was damit gemeint ist: Jeder Kandidat verliert etwas von seiner «Deckung», gibt den Konkurrenten Einblicke ins eigene Können. Doch die Vorteile überwiegen: «Wir haben mit Wettbewerbscharakter trainiert – inklusiv weite Anreise, Hotelübernachtungen und mitten im Feld der Konkurrenz. Man ist also weit weg von der eigenen Komfortzone. Wer das meistert, gewinnt Selbstvertrauen», sagen Lara Kaufman und Pascal Lehmann übereinstimmend. Zudem ist der Austausch untereinander länderübergreifend sehr wertvoll.
Zu den Aufgabenstellungen zählten zum Beispiel die zweifarbige Lackierung (innen und aussen) einer Motorhaube mit Dekor, die Dreischichtlackierung eines beschädigten Kotflügels (Kratzer eliminieren, UV-Füllern), eine Finish-Arbeit (Motorhaube abdecken, Kratzer schleifen, wegpolieren), eine Spot-Repair-Herausforderung an einem Kotflügel und die Lackierung eines Stossfängers. Bewertet wurden die Arbeiten nach denselben Kriterien wie an der WM in Lyon im September. Für Lara ein sehr gutes Omen: Sie belegte an diesem Fünfländertraining den ersten Rang, hat gemäss ihrem Coach sehr Vieles sehr gut gemacht.
Trotzdem zieht sie die richtigen Schlüsse aus dem Training, weiss gemäss eigener Angaben haargenau, wo die Verbesserungsmöglichkeiten sind. Also hat sich der Aufwand gelohnt? «Auf jeden Fall», zeigt sich Pascal Lehmann begeistert vom Anlass. «Ich würde diese Einladung jederzeit wieder annehmen. Und die Veranstaltung vielleicht früher oder später als Gastgeber in unser Land holen», fasst er vielsagend zusammen.
Kurze Anmerkung: Die geplante Rückkehr am Freitag mussten Lara und ihr Coach wegen einer Flugverspätung kurzfristig auf Samstag verschieben. Was eine schnelle und improvisierte zusätzliche Übernachtung in Amsterdam zur Folge hatte. Und die Erkenntnis stützt, dass weder vor noch während einer WM alles im Detail geplant werden kann und auch so läuft. Mit Überraschungen ist stets zu rechnen.
Bericht: Heinz Schneider